Ausfahrt in das Elsaß
Ein Tagebuch Bericht von Marco Wieber.
Von Nonnenweier durch den Kanal nach Saverne und zurück
07.08.23. Um 9 Uhr gehts los: persönliches Gepäck aufs Boot, die letzten Ausrüstungsteile und ab zum Yachtclub Lahr in Nonnenweier. Die Sliprampe dort ist belegt, also wird schnell umgeplant zur Natorampe nur ein paar 100 Meter entfernt. Elmar am Steuer fährt den Trailer samt Boot ins Wasser, Miriam weist ein und Marco steht auf Boot. Bereit den Anker zu werfen und das Boot sicher an Land zu vertauen, damit es nicht von der Strömung erfasst wird. Dann soll die ganze Ausrüstung vom verpackten Zustand Seeklar gemacht werden. So zumindest der Plan... "Da kommt ganz schön Wasser rein" An sich nichts ungewöhnliches. Jedes Holzboot wirft Risse, die sich schließen sobald es lang genug feuchte hat. Allerdings hat die Sjolfur 2 Jahre kein Wasser gesehen. "Wir saufen hier ab!" Marco macht die Lenzpumpe klar und fängt an zu Pumpen. So viel Wasser war tatsächlich noch nie eingebrochen. "Kann ich mit der Pumpe nicht halten, ich brauch euch bei der Pütz" (Pütz = faltbarer Eimer) Elmar und Miriam verstehen nun schlagartig, dass es wirklich ein großes Problem gibt. Erst nach 15 Minuten Wasserschöpfen und Pumpen ist der Wasserstand im Boot wieder um 10 cm gefallen. Aber die einströmenden Wassermengen sind keinesfalls akzeptabel. Marco pumpt weiter, Elmar räumt das Boot um damit wir die undichten Stellen finden können. Miriam telefoniert umher um Fassdichte auftreiben zu können. Nach etwas weiterer Arbeit ist das Boot wieder aus dem Wasser und nässt vor sich hin. Die Risse ziehen sich zum Teil ein halben Meter, bei teilweise einer Millimeter Dicke. Miriam hat inzwischen bei ein paar alten Taubergießenkapitänen erfahren woher man Fassdichte bekommt. Diese Nachricht, ein kleiner Snack und eine große Schokolade, heben die Stimmung. Eine halbe Stunde später ist das Zeugs besorgt und die Masse, die irgendwo zwischen Butter und Wachs angesiedelt ist, wird in die Ritzen gedrückt. Ein halbes Pfund Fassdichte verschwindet im Holz. Nächster Versuch. Alle Bodenelemente mit erkannten Rissen werden zugänglich gemacht, um während des Slippens prüfen zu können. Das Ergebnis überzeugt! Kaum noch Wasser. Das hebt die Laune noch deutlich stärker. Einige Stellen werden noch geflickt. Miriam und Marco machen das Boot klar. Elmar fährt Fahrzeug und Anhänger zum Yachthafen. Von dort wird er dann von Miriam und Marco aufgesammelt. Mit nur 4,5 Stunden Verspätung kann es los gehen, in die erste Schleuse Richtung Straßburg. Da wir kein Funk an Bord haben rufen wir einfach an und bekommen dann eine Schleuse zugewiesen. Erster Stopp ist dann Yachthafen Kehl. Nicht ganz so weit wie erhofft. Dafür das erste Abenteuer erlebt. Man hätte aber auch drauf verzichten können...
08.08.23 Heute geht es weniger abenteuerlich weiter. Nach gemütlichem Frühstück wird der Drache Seeklar gemacht, also die Schlafsäcke und Luftmatratzen weg, das Zelt abgebaut und alles in Kisten verräumt. Die Ausfahrt aus dem Hafen ist als gefährlich markiert. Also planen wir unser Ablegemanöver. Die Sjolfur ist etwas eigenwillig in der Steuerung: Steuerpinne ist auf Steuerbord und Maschine auf Backbord. Also beide außerhalb des Schiffsschwerpunkts. Beschleunigen bedeutet ein Drall nach Steuerbord. Rückwärts ein Drall nach Backbord. Die Ruderpinne greift erst ab einer bestimmten Geschwindigkeit und durch den geringen Tiefgang ist das Boot sehr anfällig gegen Wind, aber auch Strömung nimmt uns schnell mit, da wir recht leicht sind. Also gar nicht so einfach. An der Ausfahrt haben wir aber freie Fahrt. Nur wenige hundert Meter weiter ist der Eingang zum „Port Autonome Straßburg“ und da auch zur Nordschleuse. Hier und auf dem nächsten Abschnitt ist viel Betrieb. Neben dem Verkehr aus den Yachthäfen in Straßburg und dem Fernreisenden Richtung RheinMarne-Kanal gibt es hier auch Arbeitsboote und Touristenfähren. Vorbei an dem Sitz von Arte und dem Europäischen Parlament geht es dann in den Rhein-Marne-Kanal. Hier wirds dann wieder beschaulicher. Rechts und Links von Radwegen gesäumt wird unser Boot von vorbeikommenden Passanten bewundert und bei vorhandener Sprachbarriere mit einem Daumen nach oben quittiert. Es geht gemütlich voran. Das Wasser steht fast. Alle paar Kilometer findet sich eine Schleuse. Einige funktionieren über eine Lichtschranke, bei anderen zieht man an einem Seil, das davor an einer gespannten Leine herab baumelt. Besonders breit sind die Schleusen nicht. Aber mit etwas Erfahrung und Miriam oder Marco am Steuer ist das kein Problem. Aber das Schleusen kostet Zeit und so beschränkt sich die Streckenleistung auf etwa 25 - 30 Kilometer. Abends finden wir einen kleinen Hafen, kaum mehr als eine Bucht. Kein Strom, kein Wasser, keine Sanitären Einrichtungen. Aber Dank Wasserkanister und Spaten sind wir soweit autark. Nur eine kleine Ergänzung der Lebensmittel und Treibstoff muss im nahen Schwindratzheim erfolgen. Wobei die Tankstelle leider nur Karte nimmt. Miriam und Elmar haben aber nur die Bootskasse mit Bargeld dabei. Mit etwas Überzeugungsarbeit bei anderen Tankstellenbesuchern lässt sich auch dieses Problem lösen. Und bei ihrer Rückkehr steht das Zelt auf dem Boot und die Nudeln sind im Topf. Miriam ergänzt mit einem Salat, der durch Elmars Schneidearbeit zum "Männersalat" (Zitat Miriam) wird. Daß die Stückchen zu grob sein könnten, findet der Rest der Besatzung aber eher unproblematisch. Wichtiger ist da schon die Versorgung mit Panache.
09.08.23 Ein leichter Regen benetzt in der Nacht unser Zelt. Doch kaum der Rede wert. Bis die Stoffplanen in den Säcken verlastet sind, braucht es eine Weile. Bis dahin sind sie schon lange trocken. Nicht ganz unschuldig daran ist der Besuch zweier Mitarbeiter der VNF (Voies navigables de France ist die staatliche Wasserstraßenverwaltung in Frankreich). Sie sind für den Betrieb der Schleusen und die Instandhaltung des Kanal zuständig, und haben großes Interesse an unserem Boot. Im Gegenzug erfahren wir etwas mehr über die Funktionen der Schleusen. Nicht an jeder Schleuse hängt ein Seil um sich anzumelden, viel mehr sind die Schleusen als Gruppen verbunden. Falls etwas nicht automatisch geht, kann man am Wärterhäuschen einfach ein großen roten Knopf drücken und mit der Zentrale telefonieren. Das neue Wissen können wir bei den zahlreichen weiteren Schleusen gut gebrauchen. Die Landschaft wirft mit größerer Entfernung zum Rhein zunehmend Falten. Bisher nur hügelig, aber in der Entfernung sind Burgen besetzte Berge in Sichtweite. Unser Tagesziel ist nicht weit entfernt und nennt sich Saverne oder Zabern, auf deutsch oder Zawere auf elsässisch. Gegründet etwa im Jahr 400 als Römische Garnison mit Namen Tribus Tabernis (drei Kneipen) klingt Sympathisch! der Yachthafen liegt in der Innenstadt, Gegenüber eines herrschaftlichen Schlosses mit Namen Rohan. Ein Adelsgeschlecht der Bretagnie, die im Barock mehrfach den Fürstbischof von Straßburg stellten. Zu ihren Besitzungen gehörten neben Saverne zum Beispiel auch Ettenheim. Zwischen Schloss und Yachthafen erstreckt sich ein Hof der durch einen Chor beprobt wird. Ein angemessenes Lied ertönt zu unserer Einfahrt. Die wortkarge Hafenmeisterin weist uns mit strengem Blick ein Platz zu, während aus dem Nachbarboot Bekannte aus dem Yachtclub Lahr uns freudig in Empfang nehmen. Kurze Zeit später stehen Kaffe und Kekse auf dem Tisch ihrer Yacht und man tauscht sich über Böötchenbesitzerthemen aus. Nach dem gestrigen "Hafen" sind wir alle froh um Dusche und Klo. Danach Besuch der Altstadt und Abendessen. An der französischen Speisekarte versagt Google Übersetzer dann maßlos. Aber wie soll er auch wissen, dass sich hinter dem "lustigen Hund" die elsässer Variante des Hotdog versteckt... Schmeckt sehr gut übrigens. Dazu wahlweise eine Käseplatte mit Weißwein oder ein lokales Bier, dunkel mit Einhornemblem. Sehr lecker! Da wir über den Kanal sehr viel langsamer voran kommen, als im Rhein (20 bis 30 km, statt 70- 100 km) entscheiden wir uns an diesem Punkt zur Rückfahrt. Allerdings besorgen wir uns ein Navigationsbuch zu den Kanälen um nächstes Jahr die Reise fortzusetzen. Der spannende Teil liegt hinter Saverne!
10.08.23 Vor dem Rückweg gab es noch einen kleinen Abstecher in die Stadt. Die war recht voll, denn es ist Markttag. Perfekt um seine Vorräte zu ergänzen und einen Cappuccino zu trinken. Im Gewusel hört man neben französisch, vor allem von den Älteren auch elsässisch. Wir bestellen uns ein Buch mit den Wasserwegen im Elsass und freuen uns auf eine weitere Erkundung im nächsten Jahr. Bergab läuft es etwas schneller. Neben der sehr geringen Strömung die uns nun schiebt, klappt es jetzt mit den Schleusen schneller. Der Trick ist die Lichtschranke vor und nach der Schleuse mit einem "Handtuchtanz" davon zu überzeugen, dass wir tatsächlich ein Boot sind. Miriam macht das hervorragend! Der Sensor hat nach Auskunft der Schleusenaufsicht wohl Schwierigkeiten gemacht. Wir sind aber auch erheblich flacher als unsere Mitreisenden und auf Holz sind die Sensoren nicht optimiert. Es ist ein schöner und heißer Tag. Wir lassen ein Teil des Zeltes als Sonnenschutz stehen. Vom parallel verlaufenden Radweg bekommen wir viele Komplimente, und werden von sicher 15 Leuten angesprochen und erzählen jedes Mal die selbe Geschichte, werden aber mit viel Anerkennung belohnt. So macht das Spass. Die Radwege parallel zum Kanal dienten ursprünglich als Treidelpfade. Bedeutet: die Lastkähne wurden auf dem heutigen Radweg von Ochsen gezogen. Später wurden sie durch Lokomotiven ersetzt. Heute sieht man nur wenig Berufsschiffart auf dem Kanal. Viel Öfters begegnet man Urlaubern auf einem „le boat“ Leihboot. Diese kann man auch ohne Sportbootschein ausleihen. Entsprechend sehen Boote und Fahrstiel der „Kapitäne“ aus. Im Zickzack über den Kanal und Quer in der Schleuse. Ruderlegen und Klampe belegen will gelernt sein! Wir kommen heute bis kurz vor Straßburg, und damit fast so weit wie die beiden Tage davor.
11.08.23 Wenige Kilometer von unserer Übernachtung entfernt beginnt bereits Straßburg. Wieder vorbei am Europäischen Parlament und vor der Nordschleuse gehts nach Süden, in großem Bogen um den Stadtkern herum und durchs Geschäftsviertel hindurch, bis wir in den Rhein-Rhonekanal einlaufen. Dieser ist immer weniger befahren, je weiter man sich von Straßburg entfernt. Bis wir weit und breit allein sind und den Schatten der Platanenallee genießen. Das hat aber auch Nachteile: obwohl das Wasser im Kanal sehr sauber ist, ist er stark mit Seegras bewachsen und voll mit Blättern und Geäst. So müssen wir alle halbe Stunde anhalten und Ruder so wie Motor von dem halben Wald befreien, der sich da mitnehmen lässt. Zum Teil ist so viel Grün am Ruder, dass sich das Boot kaum noch steuern lässt. Zudem ist heute auch sehr warm. Unter unserem Zelt, dass uns etwas Schatten spendet sogar noch wärmer. Obwohl alle natürlich lieber eine Dusche hätten ist man sich einig, das heute Abend zumindest gebadet wird. Mit Klos und Duschen ist es leider etwas rar. Sowohl am Rhein-Marnekanal wie auch im Rhein-Rhonekanal. Zwischen Saverne und Straßburg ist da nichts. Kurz vor 6 Uhr kommen wir dann nach Boofzheim. Die Schleusen stellen den Dienst ab 5 Uhr ein, also müssen wir hier bleiben. Zu unsere großen Überraschung gibt es hier ein Gebäude samt Hafenmeister. Neben ungechlortem Trinkwasser gibt es auch ein Klo und eine Dusche! Da stellt sich Erstmal gute Laune ein! Ins Wasser geht es trotzdem noch und danach ins nächstgelegene Lokal. Nur leider hat das zu. Genauso wie die anderen beiden Lokale in Boofzheim. Mit grummelndem Magen treten wir den Heimweg an. Statt französischer Küche und 3 Halben gibt es einen ungarischen Eintopf aus der Konserve und Wasser.
12.08.23 Nach einem vorzüglichen Porridge von Miriam brechen wir alsbald auf. Der Kanal wird zum Rhein hin immer wilder. Bald hat man den Eindruck durch Dschungel zu gleiten. Die Verlängerung nach Süden ist ohnehin schon lange nicht mehr befahrbar, Soll aber wieder hergestellt werden. Vielleicht in diesem Jahrzehnt noch... Leider können wir die Schleusenaufsicht unter keiner uns bekannten Nummer erreichen. Also fahren wir wie so oft auf gut Glück mal hin. Dort sitzt auch tatsächlich eine Schleusenwärterin, die uns gegen Unterschrift einer Formalie, auf Rheinniveau hebt. Von dort aus geht es mit Höchstgeschwindigkeit an der Natorampe vorbei zum Yachtclub Lahr, für eine Stärkung bevor wir das Boot aus dem Wasser nehmen. Der uns zugewiesene Anleger ist nur über geschicktes Manövrieren zu erreichen. Doch die Aussicht auf Restaurant und Getränk lässt uns Wind, Strömung, Engstelle und Seegras meistern. Noch bevor wir einen Fuß auf den Ponton setzen, werden wir von einem Schlagregen heimgesucht. Auch wenn dieser kaum 10 Minuten hält, durchnässt er uns alle. Zu allem Überfluss ist die Küche erst am 16 Uhr besetzt. Mit Gaststätten haben wir einfach kein Glück. Ums Eck an der Straße aber befindet sich ein Tabakladen der mit absurd vielen Schildern sein Kraut bewirbt. Dazu gibt es auch ein Streetfoodanhänger. Abgesehen vom Cafe - ein richtiger Glücksgriff. Ein Burger, Grillwurst, Pommes und Kaltgetränk später sind wir gestärkt zum Ausslippen und Abbau. Eine Wichtige aber eher mühsame Arbeit, die auch noch den Rest des Tages in Anspruch nimmt
Bildquelle: Miriam& Elmar Jäger